12ter Tag

Sonnabend, 4.11.2023

...und wieder die Chronometer eine Stunde zurück...ich weiß nicht ob es diese erneute Zeitumstellung ist, die meine innere Uhr durcheinander bringt, jedenfalls kam ich weder zum friedlichen Ein – noch zum Durchschlafen, stattdessen entstanden wieder diese mir eigenen fantasievollen Filme im Kopfkino mit erstaunlichen Detailtreue von handelnden Figuren und Ereignissen aus den tiefsten Tiefen des Gedächtnisses, vier Jahrzehnte zurück liegend, ausgeschmückt mit aktuellen Ereignissen wie z.B. der Hoffnung auf Wal Sichtung ...

Blick auf die See
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Es ist Punkt sieben Bordzeit und ich verzog mich nach einer unruhigen Nacht und einer Katzenwäsche auf Deck mit Blick in den Sonnenaufgang und beginne diesen Rückblick auf den gestrigen Tag im LOG Buch festzuhalten...
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Der spannenden Aktion „Waschsalon“ sollte ich ein eigenes Kapitel widmen ...s.u.
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Zum ersten Mal nahm ich das Dinner im italienisch angehauchten „Bella Vista“ ... nachdem mir der Platz am Hochtisch zu unbequem wurde, wechselte ich zu einem Ehepaar am Fenster ... und machte erneut die Erfahrung, dass man(n) ziemlich schnell spürt auf welcher Seite des „Eisernen Vorhangs“ der Gegenüber sozialisiert wurde ... die Frau (wurde aus Brandenburg 2006 weg geheiratet) sofort aufgeschlossen und gesprächsbereit, während der Mann seine Zeit zum Auftauen brauchte ... nach zwei Biere, einem Roten und später einem Mojito erzähle ich jedem der es hören will, meine Lebensgeschichte und die meiner außergewöhnlichen Familie ... und es wollte offensichtlich gehört werden .... ist ja auf keinem Fall langweilig...da der Herr einen interessierten Eindruck machte, drückte ich ihm bei der Verabschiedung meine Visitenkarte – die erste auf dieser Reise – mit dem QR Code in die Hand und bin ziemlich sicher, dass einer von beiden neugierig „ewe auf reisen“ anklicken wird ...mitten in der angeregten Unterhaltung...doch dazu s.u.
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Waschsalon...beim vierten Anlauf hatte ich endlich Glück, eine Maschine war frei und der junge Indonesier vom Service war mit seinem großen Staubsauger am Schaffen ... er war auch freundlicherweise gern bereit dem Alten Weis(s)en Mann step by step das Prozedere der Automatik zu erklären...also Chip Karte rein, Maschine wählen, Waschmittel am Spender empfangen, in die Trommel geben, Temperatur einstellen und auf Start drücken ... Endzeit merken ... eigentlich kinderleicht, wenn man(n)'s erst einmal gerafft hat ... zurück zur Unterhaltung am Abendbrottisch ... als ich nämlich vom Abenteuer „Wäsche“ erzählte, hob mein Gegenüber warnend den Finger, ich solle die Teile ja pünktlich aus der Maschine nehmen, denn es hätte bei Verspätung schon ernste Probleme im Waschsalon gegeben, ja bis hin zu Handgreiflichkeiten, weil's aus welchen Gründen auch immer (er nannte „Datenschutz“) es untersagt sei, fremde Textilien auszuräumen ... so nahm ich die Beine in die Hand, denn es war Endzeit ... kam „on time“ und wieder erhielt ich Hilfe beim Übergang von der Waschmaschine zum Trockner, einschließlich den Tipp einer erfahrener Hausfrau wie ich das lästige Bügeln umgehen kann, wenn ich nämlich die Teile noch warm auf einen Bügel bringe, dann hängen sich die Falten allein aus...so viel zum Thema Waschen on Boot...
Korb mit Wäsche
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Apropos Service – mich würde mal die Zahl der vielen fleißigen Engel_*Innen auf diesem Lustdampfer für 2050 (laut google) Zahlende interessieren, die sich von morgens (noch in der Dunkelheit) bis Mitternacht um das Wohl der Gäste kümmern – nach meiner Beobachtung: alles Asiaten... sind vielleicht fleißiger (?) als Deutsche, brauchen aber auf jeden Fall weniger Platz ...besonders beeindruckten mich die kleinen Asiatinnen, denen die Platte der Hochtische gerade bis Brustoberkante reichte und wie sie auf der Schulter große Tabletts voller Geschirr trugen, dabei weiter abräumten und lächelten ...(Inzwischen weiß ich, dass 637 Mitglieder in der Crew sind und davon 25 verschiedene Nationen)
Mojito
...zwei Mal ließ ich mich ( bis zum heutigen Tag) verleiten, beim Barkeeper kostenpflichtig zu bestellen – beim ersten war gleich beim Einschiffen... hatte eine ausgetrocknete Kehle und bestellte ein Radeberger für fünf fünfzig, um mich wenig später darüber zu ärgern, weil's das Bier zum Nulltarif bis zum Abwinken beim Essen gab ... und das zweite Mal war gestern Abend im Theater...ich wollte mir am Tisch mit einem netten Ehepaar nicht die Blöße geben und bestellte Hemingway 's Lieblingsgetränk, das ich einst auf Kuba schätzen lernte ... für stolze acht Euronen ... und war frustriert: das Blättchen Minze und Scheibchen Zitrone war begraben unter einer das Glas füllende Schicht zerkleinerten Eiswürfel ... okay, eine weitere Erfahrung, die ich unter Lehrgeld abbuche ...
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So, damit war der gestrige Tag auf- und nachbereitet... jetzt (halb acht) – die Sonne steht bereits hoch über dem Horizont und verspricht Gutes – steht erst mal meine Lieblingsmahlzeit an – das Frühstück – und dann schau'n wir , was der Tag zu bieten hat ...
Plan vom Schiff am Fahrstuhl zur Orientierung
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wollte mir und den anderen mal wieder etwas beweisen und begann die Treppen von Deck 7 zu 12 zu steigen, kam zwar gleich an, wie die, die auf den Fahrstuhl warteten, jappste aber wie der sprichwörtliche Maikäfer nach dem Liebesakt...sollte ich in Zukunft tunlichst vermeiden...
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... du hast natürlich wieder einmal völlig recht, man(n) vergrößert sich auf einer solchen „Lustreise“ spür - und sichtbar, lässt sich auch kaum sinnvoll vermeiden, ist ja alles bezahlt, aber ich versuche – was auch aus meiner täglichen Dokumentation zu erkennen sein mag – mich zu zügeln... zum Thema ESSEN sieh auch den passenden Eintrag aus meinem LOG Buch...
zum Essen
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„Wo ist das Krokodil?“ - begrüßte mich ein Herr im Lift – ich stutzte und begriff – er habe den Film bereits dreimal gesehen und nannte auch wissend den Namen der Schauspielerin in der Hauptrolle ... „Nun, das ist eine lange Geschichte! - war meine Antwort und dann musste ich auch schon aussteigen...
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Mit meinem Bierkonsum decke ich den empfohlenen täglichen Flüssigkeitsbedarf von drei Litern zu zwei Drittel...
zum Bierkonsum
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...nachdem ich meinem Alabaster Körper eine Viertel Stunde Karibiksonne zur Vitamin D Bildung verabreichte...kreuzte ich auf dem Tagesprogramm den Vortag „Land in Sicht“ – zum kommenden Hafen an und anschließend die Dokumentation „ Karibik – der Ruf nach Freiheit“ ...(hab's nicht bereut – war hochinteressant) am Nachmittag folgt dann wieder eine Runde Zocken und evtl. 16:00 Hirntraining beim Schach.. ausklingen soll mein Abend mit der Show „Rock the concert“ ...
Schachspiel
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Der dritte Seetag in Folge neigt sich dem Ende – am Abend laufen wir in St. Maarten ein , nach 4.254 Kilometer non stop...
vom Salat mittag
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Ich höre schon raunen „alles fake news“ – nee nee, da falle ich dir ins Wort: Ist echt und unverfälscht – dies war mein heutiges Mittag – Punkt! Warum diese Enthaltsamkeit? ... Ich versprach Mr. M. den zweiten Versuch auf eine Haxe , sitze nun in der Almhütt'n und überbrücke die Stunde bis zur Eröffnung mit dem Sortieren meiner heutigen Aufzeichnungen...
Haxe
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natürlich gibt's ein kostenpflichtiges Sportzentrum...doch dafür fehlt mir zum einen seit Corinna die Atemluft und zum anderen ist der innere Schweinehund wenig motivierend ...
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...und da muss ich mir als Erstes korrigieren – was zugleich bezeichnend ist für meine geistige Verwirrtheit, mein Verlust für das Gefühl für Raum und Zeit – nicht morgen laufen wir in den Hafen ein, NEIN der „Lustdampfer“ braucht noch zwei Ozeantage für den Rest der 2.297 Seemeilen (sprich 4.254 Kilometer) bis Philippsburg auf Sant Martin ...
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Manchmal lösen sich Problem allein ...Eine Verlängerung über Jamaika hätte mich zwölfhundert Euronen gekostet und hätte ich gern gezahlt ... hätte, hätte Fahrradkette...Am Schalter des Reiseveranstalters informierte mich die Dame: „alles ausgebucht!“ - Ende Gelände... „Sie können aber gern in drei Tagen erneut nachfragen, evtl. stornierte jemand“ ... und damit lege ich die Entscheidung über das Weiterso in das Schicksals Hände ...

... Ich nutze die Gelegenheit und buchte zu der empfohlene Rundfahrt durch die Inselhauptstadt zusätzlich im Anschluss eine Fahrt zu der spektakulären Maho Beach mit den Flugzeugen im Anflug ...
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Bild von der Poollandschaft
Beim Blick über die belegte Poollandschaft wurde ich nicht nur an ein Robben Eiland, sondern auch an die Frage erinnert: „Warum tragen Männer jenseits der 60+ ein Mollengrab vor sich her?“ Antwort: „damit der Arbeitslose ein Dach über dem Kopf hat“ ...
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Man(n) muss richtig verliebt sein oder eine Menge Restliebe besitzen, wenn man(n) mit Partner in einer solch kleinen Kajüte Wochen verbringt ... deshalb verwundert es auch nicht, dass viele in die Jahre gekommenen Paare Händchen haltend durch das Schiff flanieren ... Schwingt da gar etwas Neid mit??
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Im Theater vor mir unterhielten sich zwei „etwas kräftigere“ Frauen darüber, dass es doch überaus praktisch wäre, könnten sie auch im Stehen pinkeln, wie die Männer, was besonders auf Radtouren hilfreich wäre ... man(n) lernt eben NiE aus ...
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ich muss nicht lange geschlafen haben, als ich schweißnass aufwachte. Aufwachte aus einem Albtraum. Es war Horror pur und dies zum zweiten Mal auf dieser Überfahrt. Ich sah mich als Schlafwandler mutterseelenallein bei Vollmond auf Deck 14 – eine No 13 gibt es nicht – über die Reling steigen und nach freiem Flug kerzengerade in die pechschwarze See tauchen ... dann bot das Drehbuch zwei Optionen – ich gerate in den Sog vom Propeller und der Film fand ein schnelles, wenn auch blutiges Ende ... die Alternative war, ich sah wie sich das illuminierte Heck zusehends entfernte, mich die Kräfte verließen und ich mit einem letzten Blick in die aufgehenden Morgensonne unterging - auch Flipper mit seiner Schule konnte mich nicht wirklich retten ... ewe und seine blühende (?) Phantasie ...
die See
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